Gerling-Quartier,
Köln

Das heutige 4,6 Hektar große Gerling-Areal bildet seinen eigenen Kosmos inmitten der Kölner Innenstadt. Nicht abgeschlossen, aber auch nicht einladend erfüllten die verschiedenen Bauten der ehemaligen Versicherungszentrale in erster Linie Repräsentationspflichten und blieben über Jahrzehnte im Inneren und Äußeren nahezu unverändert erhalten.

Projektdaten:
Auslober des Wettbewerbs: FRANKONIA Eurobau AG
Bauherr bis September 2012: FRANKONIA Eurobau AG
seitdem: IMMOFINANZ Group
1. Preis städtebaulicher Wettbewerb

Auszeichnungen:
Sonderpreis des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Gerling-Hochhaus, Köln, 2016

Transformationsprozess eines innerstädtischen Büroquartiers in ein urbanes Premium-Stadtquartier

Das steigende Bewusstsein um die Einzigartigkeit gewachsener Städte und die Wertschätzung identitätsstiftender Strukturen, die sich jenseits eines überragenden Einzeldenkmals im Sinne von Nachbarschaften oder Quartieren wieder finden, haben neue Aufgaben für den Architekten und Stadtplaner mit sich gebracht. „Königsaufgaben“, denn sie gehen, wie beim ehemaligen Unternehmenssitz des Gerling Konzerns über die Planung eines Einzelbauwerkes hinaus. Sie erweitern den eigentlichen Begriff Architektur, weil sie ein neues Zusammenhangsdenken von Stadt und Bauwerk herausfordern.

Lange bevor die ökologische Diskussion das Schlagwort Nachhaltigkeit entdeckt hat, ist die Transformation von bestehender Substanz in ihrem Handeln nachhaltig, weil städtebaulich architektonische Investitionen niemals auf funktionale Zwecke alleine, sondern auf Dauerhaftigkeit und wachsende Werteentwicklung durch das Zusammenspiel vielschichtiger Funktionen angelegt sind. Nicht lediglich Einzelbausteine sind wichtig, sondern die Simulation urbaner Vielschichtigkeit in einer atmosphärischen Stadtvision. Ohne diese bildhafte Idee geht es nicht.

Für das Gerling Quartier war der zentrale Gereonshof ein wichtiger Bestandteil der Vision eines neuen Stadtquartiers. Als Herzstück des gesamten Ensembles diente er früher ausschließlich repräsentativen Zwecken und war durch die umliegende Büronutzung und die Durchgangsstraße kaum belebt. Bauherr und Architekt erkannten in dem ungenutzten Potenzial dieses Platzes die darin schlummernde urbane Qualität als Kern des neuen Ortes. Die Idee, einen mediterranen, lebendigen Platz  nach dem Vorbild der Piazza Navone in Rom zu schaffen, entstand als Leitvision: mit dem vorhandenen Brunnen, neuem Straßencafé und Restaurant, von hochwertigen Stadtwohnungen umgeben. Durch die Entwicklung eines Torgebäudes an der westlichen Seite und die Sperrung für den Durchgangscharakter wird der Piazza-Charakter zusätzlich verstärkt.

Menschen lieben ihre Stadt, ihr Quartier kaum aus rationalen Gründen. Ausschlaggebend sind emotionale Werte, Stimmungen, Wertevorstellungen, Identifikation und Stolz auf diesen Ort. Hier muss der Veränderungsprozess ansetzen, ein Leitbild entwickeln. Aber nicht jede Version kann an jedem Ort realisiert werden. Denn die Transformation stellt so etwas wie eine „Geburt“ einer neuen Stadt aus einer bestehenden Stadt dar. Wobei man das zu Vererbende anders als beim Menschen im Planungsprozess qualifizieren kann, d. h. aus den Genen des Kontextes entwickelt. Dazu muss man allerdings zunächst den Gen-Code des Ortes lesen lernen: An erster Stelle ist dies die Gunst der Lage, die Ikonographie der Bestandsarchitektur, die Werte der Nachbarschaft oder ein Marktvorteil durch wirtschaftliche Umbauten. Zum Erbe braucht es aber das Neue, das Zukunftsverheißende, es muss etwas dazukommen, was es dort noch nicht gab, sonst wäre es eine reine Sanierung. Hier verlangt es einen Schuss Wagemut. Neben dem Mut des Bauherrn ist damit der Wagemut gemeint, wenn die Denkmalpflege bewährte Muster im Umgang mit Baudenkmälern erweitert, wenn Stadtplanungsämter die Parameter der Dichte und Zulässigkeiten im Einzelfall neu entscheiden und wenn Politiker Veränderungsprozesse, die erfahrungsgemäß großen Beharrungskräften ausgesetzt sind, mehrheitsfähig gestalten.

Ohne die Großzügigkeit in irgendeiner Art zu schmälern, geschah dies beim Gerling Quartier durch einfühlsame planerische Integration von Ergänzungsbauten und zusätzlichen Geschossen. Im Gegenteil: die Ergänzung bzw. der Ersatz vorhandener Bauwerke unterstützte und komplettierte die städtebauliche Vision und skizziert die neue Zukunft des Quartiers. Dass für den Architekten und Stadtplaner auch eine erweiterte Dimension der Kommunikation und Dialogfähigkeit hinzukommt, ist aufgrund der erwähnten Szenarien einleuchtend. Für uns als Planer ein ungemein komplexer Prozess, aber faszinierend und beglückend, wenn Fragen der Gestaltung so viel Leben und so viel Stadt bewegen.

Auf dem Gerling-Areal verteilen sich 130.000 m2 Bruttogeschossfläche auf hochwertige Wohn- und Büroflächen in bester Innenstadtlage.