In Bremerhaven, direkt am Handelshafen, realisierte ksg im Oktober 2023 das neue Technikum des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) als zentraler Standort für die Vorbereitung von Polarexpeditionen, insbesondere der Fahrten des Forschungsschiffs Polarstern in die Arktis und Antarktis. Der markante Neubau führt die zuvor über die Stadt verstreut arbeitenden Teams zusammen und schafft eine äußerst robuste und angenehme Arbeitsumgebung.



Projektdaten:
Technikum für das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)
Bauherr: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven
Architektur: kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, Köln/Leipzig/Berlin
Projektteam: Danijela Pilic (Projektleitung), Stefanie Oßenkamp, Jana Wenz, Florian Viezens, Nicole Köllmann, Mirko Birkhold, Dorothee Heidrich (Innenarchitektur)
Johannes Kister (verantwortlicher Gesellschafter)
Wettbewerbsteam: Artiom Seleznev, Clara Dittus, Max Riemenschneider, Irini Galarza
Objektüberwachung: fk architekten
Landschaftsarchitekten: plandrei Landschaftsarchitekten, Erfurt mit PPR
Fertigstellung: Oktober 2023
Fotos: Schnepp Renou
Mit dem neuen Technikum schlägt der Campus des Alfred-Wegener-Instituts an der Westseite des Handelshafens, einen Bogen auf die gegenüberliegende Seite des Hafenbeckens. Das Grundstück befindet sich stadtseitig neben dem langgestreckten, weiß getünchten Ziegelbauwerk, in dem das Unternehmen Nordsee bis vor kurzem seinen Sitz hatte. Der Neubau des AWI erstreckt sich mit 60 Metern Länge und 44 Metern Breite entlang des Yachthafens und Kanals.
Die Architektur reagiert mit klaren Kanten und einer markanten, gefalteten Ziegelfassade auf die maritime Umgebung. Über der Erdgeschosszone aus transluzentem Industrieglas kommen Ziegel in Hell- und Dunkelrot, Braun und Weiß zum Einsatz. Während sich die Rottöne auf die Fassaden der umliegenden Gebäude beziehen, sind die kontrastierenden hellen Steine ein Verweis auf Schnee und Eis in den Polarregionen.
Halle für Expeditionsvorbereitungen
Das Herzstück des Gebäudes ist die große Halle mit einem Holztragwerk. Sie verfügt über eine Kranbahn, die nicht nur das Innere der Halle bedient, sondern auch den Außenbereich erschließt. So können die Container aus dem Außenraum in die Halle transportiert werden, wo sie bestückt werden. In der Halle befindet sich ein Salzwassertauchbecken, in dem Geräte und Ausrüstungen für den Einsatz in der Tiefsee getestet werden. Ein Bohrturm, dessen Gestaltung sich an den Farbtönen des Meeres orientiert, dient zur Erprobung von Eisbohrungen. Große Eisblöcke, die direkt in der Halle abgeladen werden, können hier platziert und untersucht werden.
Innere Organisation
Die Verkehrsführung ist ganz auf den Transport der Container mithilfe von Gabelstaplern vom Standplatz zum Kai ausgerichtet. Die Anordnung der Räume und Funktionen folgt dem inneren Ringsystem der Transportwege. Neben der Halle, die in ihrer Höhe drei Geschosse einnimmt, sind im Erdgeschoss außerdem Werkstätten und ein Labor untergebracht. Ein Kälteraum ermöglicht das Testen der Geräte bei minus 30 Grad. In einem Hochregallager liegen beispielsweise Schlitten, Seile, Transportkisten und Auftriebskörper sowie weitere Ausrüstungsgegenstände für die Expeditionsarbeit bereit.
In den oberen Geschossen befinden sich um einen Innenhof angeordnet Büros der Techniker:innen und Ingenieur:innen aus Bereichen wie Meereisphysik, Ozeanographie, Glaziologie, Geophysik oder Tiefseeökologie. Sie sind nicht nur an der Entwicklung und Verbesserung der Ausrüstungen und Geräte beteiligt, die für die Expeditionen in die Polarregionen notwendig sind, sondern begleiten diese Expeditionen für mehrere Wochen oder Monate in die Polarregionen.
Blick auf den Hafen
Panoramafenster in der Expeditionshalle und in den Aufenthaltsräumen bieten Blicke auf den Hafen und die öffentliche Promenade, die entlang der Längsseite des AWI verläuft, sowie in Richtung Stadt und erlauben so gleichzeitig Einblicke in den Wissenschaftsbetrieb. Die Pausenräume sind hell und großzügig gestaltet. Akustische Elemente nehmen Bezug auf die Polarregionen, indem sie als Eisschollen oder Eisbohrkerne gestaltet sind. Sie dienen jeweils als ornamentale und plastische Deckengestaltungen.
Nachhaltigkeit
Das Technikum erfüllt hohe energetische Standards. Geothermische Wärmepumpentechnik, regenerative Energiegewinnung und Photovoltaik sorgen für einen nachhaltigen Energieverbrauch. Das Gebäude wurde im Sinne des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) geplant und soll im Silber-Standard zertifiziert werden.